von Wolfgang Jung
Der nachfolgende Artikel erschien im FriedensJournal Nr. 3/2016 und ist die bearbeitete und aktualisierte Fassung eines Beitrages, der inklusive umfassender Quellenangaben abgerufen werden kann unter:
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP20714_291214.pdf

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e6/Unified_Combatant_Commands_map.png/800px-Unified_Combatant_Commands_map.png

Die Bundesrepublik Deutschland ist wegen der weltweit einmaligen Häufung von US-Militärbasen und wegen der zahlreichen hochkarätigen US- und NATO-Kommandozentralen auf ihrem Territorium in alle völkerrechtswidrigen Angriffskriege der USA und der NATO verstrickt, obwohl nach Artikel 26 des Grundgesetzes “Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten”, verfassungswidrig und mit Strafe bedroht sind.
Das Pentagon müsste völlig andere logistische Strukturen aufbauen, wenn es den deutschen Luftraum nicht mehr für Transport- und Übungsflüge nutzen könnte und den US-Streitkräften die Flugplätze, Kasernen, Kommandozentralen, Depots und Truppenübungs- plätze in Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern nicht mehr zur Verfügung stünden. Der strategische Wert der US-Basen in der Bundesrepublik ist nur zu ermessen, wenn zunächst ihre Einordnung in das weltweite Befehlsnetz des Pentagons untersucht wird.

Die sechs US-Regionalkommandos

Das Pentagon hat den Erdball in sechs Regionalkommandos aufgeteilt, denen jeweils alle US-Teilstreitkräfte in ihren Befehlsbereichen unterstehen: Das NORTHCOM ist zuständig für die USA, Kanada und Mexiko, das SOUTHCOM für Süd- und Mittelamerika, das PACOM für Indien, China, das restliche Ostasien und den pazifischen Raum einschließlich der Antarktis, das CENTCOM für Ägypten, die arabische Halbinsel und die Krisen- und Kriegsgebiete im Mittleren Osten, das AFRICOM für Afrika ohne Ägypten und das EUCOM für Europa einschließlich des asiatischen Teils Russlands, der Türkei und Israels.
Vier der US-Regionalkommandos sind in den USA angesiedelt. Nur zwei residieren außerhalb der USA, und zwar beide in der Bundesrepublik Deutschland: EUCOM in den Patch Barracks in Stuttgart-Vaihingen und AFRICOM in den Kelley Barracks, ebenfalls in Stuttgart.
Das nicht in die NATO-Kommandostruktur eingegliederte AFRICOM, das deshalb auch nicht von der Bundesrepublik aus agieren dürfte, sollte eigentlich nach Afrika verlegt werden, musste aber in Stuttgart bleiben, weil bisher kein afrikanisches Land bereit war, das neu eingerichtete Kommando aufzunehmen.

Die U.S. Army in Europa und Deutschland

Die U.S. Army Europe / USAREUR, das Europa-Kontingent des US-Heeres hat 2013 ihr Hauptquartier von Heidelberg nach Wiesbaden verlegt.
Die Anzahl der USAREUR-Garnisonen hat sich durch die Aufgabe Schweinfurts, Bambergs, Heidelbergs und Mannheims vermindert. Brüssel und Chievres in Belgien und Schinnen in den Niederlanden bilden zusammen die US Army Garrison / USAG Benelux, Livorno und Vicenza die USAG Vicenza, Kaiserslautern mit Baumholder die USAG Rheinland-Pfalz und Grafenwoehr mit Hohenfels und Garmisch die USAG Bavaria. Die Einzelstandorte Stuttgart, Wiesbaden und Ansbach haben ihren Garnisonsstatus behalten.
Dem USAREUR-Hauptquartier in Wiesbaden sind mit dem 5th Signal Command und der 66th Military Intelligence Brigade genau die Nachrichten- und Geheimdiensteinheiten zugeteilt, die für ein zentrales Befehls- und Spionagezentrum gebraucht werden.
Weitere USAREUR-Kampftruppen sind in Bayern stationiert. Das 2nd Cavalry Regiment in Vilseck ist eine luftverlegbare, selbständig operierende Eingreiftruppe, die mit Stryker-Radpanzern ausgerüstet und innerhalb von 96 Stunden weltweit einsetzbar ist. Die 12th Combat Aviation Brigade in Ansbach ist eine Heeresflieger-Einheit, die über Kampf- und Transporthubschrauber verfügt und mehrfach an den Kriegen im Irak und in Afghanistan teilgenommen hat.
Das 7th Army Joint Multinational Training Command betreibt die US-Truppenübungsplätze Grafenwöhr, Vilseck und Hohenfels und bildet Soldaten der USA sowie anderer NATO-Staaten und Partnerländer für Kampfeinsätze in völkerrechtswidrigen Angriffskriegen aus.

Die Region Kaiserslautern / Ramstein

Die Garrison Rheinland-Pfalz mit dem Zentrum der Kaiserslautern Military Community ist mit knapp 50.000 US-Personen nicht nur die größte US-Militärgemeinde außerhalb der USA, sie beherbergt außer dem Logistikzentrum der US Army in Europa auch die US Air Base Ramstein. Das 21st Theater Sustainement Command ist zuständig für die Versorgung und den Nachschub aller in den Kommandobereichen des EUCOM, des AFRICOM und des CENTCOM eingesetzten Army-Einheiten. Dem Sustainement Command nachgeordnet sind die 16th Sustainement Brigade, die inzwischen von Bamberg nach Baumholder verlegt wurde, das 7th Civil Support Command und die 409th Contracting Support Brigade, die auf dem Heuberg bei Sembach nordöstlich von Kaiserslautern stationiert ist. Bei Sembach befand sich früher ein Flugplatz der US Air Force, dessen Flugfeld an die Bundesrepublik zurückgegeben wurde. Das Kasernengelände und die Wohnsiedlung auf dem Heuberg wurden der US Army übertragen. Dort sind neben der 18th Military Police Brigade und der U.S. Army NATO Brigade auch das für die Verwaltung aller US-Militäranlagen in Europa zuständige Installation Management Command – Europe untergebracht. Außerdem residieren auf dem Heuberg bei Sembach alle bei der US Army in Europa für die Gesundheitsfürsorge zuständigen Einheiten. Nicht weit davon entfernt sind das U.S. Army Medical Materiel Center, Europe beim südpfälzischen Pirmasens und das Landstuhl Regional Medical Center, das größte US-Militärhospital außerhalb der USA, auf dem Kirchberg bei Landstuhl, das durch einen Neubau direkt neben der Air Base Ramstein ersetzt werden soll. In den Wäldern im Westen und Osten der Stadt Kaiserslautern liegen große Depots der US Army, in denen Kriegsmaterial aller Art eingelagert ist. Bei Bruchmühlbach-Miesau im Kreis Kaiserslautern befindet sich das Ammunition Center Europe, das größte Munitionsdepot der US-Streitkräfte außerhalb der USA.
Die US Army Europe will nach eigenen Angaben 2017 nur noch ca. 30.000 Soldaten und zivile Mitarbeiter in sieben Garnisonen in drei Ländern stationiert haben, aber weiterhin für 51 Staaten – darunter ganz Russland, die Türkei, der Kaukasus und Israel – zuständig bleiben.

Die U.S. Air Forces in Europa und in Deutschland

In der Kaiserslautern Military Community liegt auch die Air Base Ramstein, der größte US-Militärflugplatz außerhalb der USA. Dort residiert das Hauptquartier der U.S. Air Forces in Europe – Air Force Africa / USAFE-AFAFRICA, zu der ca. 39.000 aktive Soldaten, Reservisten und zivile Angestellte gehören.
Die US Air Base Ramstein ist das größte Luftdrehkreuz der US-Streitkräfte außerhalb der Vereinigten Staaten und die “größte, verkehrsreichste, beste und eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Militärbasis der Welt” (US-General Rob Kane in KAISERSLAUTERN AMERICAN vom 27.1.2016).
Das auf dieser Base eingerichtete 603rd Air and Space Operations Center / AOC überwacht alle US-Luftoperationen über Europa und Afrika. In diesem AOC soll auch über Drohnenangriffe in Afrika und anderswo entschieden worden sein. Auf der Air Base Ramstein befindet sich auf jeden Fall eine Relaisstation, über die der Datenaustausch zwischen den Drohnenpiloten in den USA und den Kampfdrohnen im Einsatzgebiet läuft.
Die Air Base Ramstein verfügt über zwei Start- und Landebahnen für die größten Transportflugzeuge der US-Air Force (C-130, C-17, C-5), hat die größte Wartungshalle der US Air Force und wird jährlich für mehr als 30.000 Starts und Landungen genutzt. In Ramstein ist das 86th Airlift Wing (Lufttransport-Geschwader) stationiert, das für alle Lufttransporte im Bereich des EUCOM, des AFRICOM und gelegentlich auch des CENTCOM zuständig ist.
Über die Air Base Ramstein werden über 90% der Personen- und Frachttransporte in den Mittleren Osten und nach Afrika abgewickelt. Monatlich werden ca. 30.000 Militär- und Zivilpassagiere abgefertigt und bis zu 900 Tonnen Bomben, Raketen und Geschosse für die US-Kampfjets geliefert, die in den aktuellen Kriegsgebieten operieren.
Die ebenfalls in Ramstein stationierte 435th Air Ground Operations Wing ist eine Spezialeinheit, die jederzeit und fast überall voll funktionsfähige Feldflugplätze errichten kann.
Auf der Air Base Ramstein residiert auch das Hauptquartier des Allied Air Command, das HQ AIRCOM Ramstein. Übergeordnet ist ihm nur das NATO-Hauptquartier in Belgien.
Im AIRCOM Ramstein werden alle einlaufenden Informationen ausgewertet, Entscheidungen getroffen und Befehle an die nachgeordneten Gefechtsstände weitergeleitet. Von hier aus wird zum Beispiel auch die Luftraumüberwachung über dem Baltikum gesteuert. Zusätzlich erfolgt die operative Führung der bei Geilenkirchen stationierten AWACS-Flugzeuge vom AIRCOM Ramstein.
Hier wurde auch die Befehlszentrale für den Raketenabwehrschild der USA und der NATO eingerichtet.
Der zweite Flugplatz der US Air Force in der Bundesrepublik, die Air Base Spangdahlem, liegt in der Eifel. Das dort stationierte 52nd Fighter Wing (Kampf-Geschwader) verfügt über 24 Kampfjets des Typs F-16, die wiederholt im Irak und in Afghanistan eingesetzt waren. Ihre Kampfeinsätze üben die US-Piloten über der Westpfalz und dem Saarland. Der häufig ganztägige militärische Fluglärmterror ist zu einer unerträglichen Belastung für die Bevölkerung geworden.
Spangdahlem dient seit der Rückgabe der Rhein-Main Air Base in Frankfurt auch als Ausweichdrehkreuz für Lufttransporte und wird wegen der langsam im Moor versinkenden neuen Startbahn der Air Base Ramstein auch zunehmend dafür genutzt.

Verzahnte US-Kommandostrukturen mit der NATO

Der Chef des EUCOM in Stuttgart ist in Personalunion gleichzeitig SACEUR, also NATO-Oberbefehlshaber, im Supreme Headquarters Allied Powers Europe / SHAPE (im europäischen NATO-Hauptquartier) in Casteau bei Mons in Belgien, das jetzt als Headquarters Allied Command Operations bezeichnet wird. Der Chef der U.S. USAFE-AFAFRICA auf der Air Base Ramstein befehligt auch das HQ AIRCOM Ramstein und das Joint Air Power Competence Centre in Kalkar.
Die entscheidenden militärischen Kommandoposten der NATO sind also immer mit US-Kommandeuren besetzt, die garantieren, dass die NATO nur das tut, was das Pentagon will. Natürlich können sie in ihrer Doppelfunktion auch das Kommunikationsnetz und alle Befehlsstränge der NATO für die US-Streitkräfte nutzen. Deshalb ist die immer wieder behauptete strikte Trennung zwischen Aktionen der NATO- und der US-Truppen – zum Beispiel in Afghanistan, Libyen oder Syrien – reine Fiktion.

NATO-Vertrag und US-Stationierung sind kündbar

Die rechtliche Grundlage für die Anwesenheit der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik ist der Nordatlantikvertrag vom 04.04.1949. Darin heißt es in Art. 13: „Nach zwanzigjähriger Geltungsdauer des Vertrages kann jede Partei aus dem Vertrag ausscheiden, und zwar ein Jahr, nachdem sie der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die Kündigung mitgeteilt hat; … .“ Die Bundesrepublik Deutschland ist der NATO mit Wirkung vom 24.03.1955 beigetreten. Nach dem Wortlaut des Art. 13 hätte sie bereits am 04.04.1969, vom Datum ihres Beitritts an gerechnet, aber spätestens am 24.03.1975 wieder aus der NATO ausscheiden können. Die Schließung der US-Basen auf unserem Boden ist aber auch ohne Austritt der Bundesrepublik aus der NATO möglich.
Die Stationierung ausländischer Truppen in unserem Land wurde im “Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland” vom 23.10.1954 geregelt. Der Vertrag sollte nach Art. 3 nur bis zum „Abschluss einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland“ gelten, ist also eigentlich am 12.09.1990 mit dem „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ (dem so genannten Zwei+Vier-Vertrag) außer Kraft getreten. Durch Notenwechsel mit den Stationierungsstreitkräften vom 25.09.1990 wurde festgelegt, dass der Stationierungsvertrag zwar weiterbestehen bleibt, die Bundesrepublik ihn aber mit einer Frist von zwei Jahren jederzeit kündigen kann.
Wir könnten das US-Militär und seine vielen Basen in unserem Land also nach nur zwei Jahren loswerden – wenn sich eine verfassungstreue Bundestagsmehrheit und eine verfassungstreue Bundesregierung bereit fänden, einen Vertrag, der durch Verstöße gegen unser Grundgesetz ständig missbraucht wird, umgehend zu kündigen. Damit ist bei den derzeit herrschenden Mehrheitsverhältnissen in absehbarer Zeit allerdings nicht zu rechnen.